Das mit dem Müssen ist so eine Sache. In der spanischen Sprache wird viel häufiger "deber" als "tener que" verwendet - vergleichbar mit dem englischen "must" und "have to". Beides heißt "müssen". "Tener que" mag man hier nicht so, das ist nämlich wirklich MÜSSEN, ein Zwang. "Deber" ist anscheinend viel weniger streng. Wie oft sagen wir, dass wir dieses und jenes und auch das noch tun müssen? Aber was muss man denn schon wirklich? Wäre dieses "müssen" nicht ganz oft durch "wollen" oder "sollen" zu ersetzen? Ich glaube, das macht etwas mit uns. Zu viel "müssen" gibt uns das Gefühl, in einer Tretmühle zu sein, aus der es kein Entrinnen gibt, wo doch in Wahrheit vieles von unseren Prioritäten abhängt.
Natürlich ist das Wortklauberei. T´schuldigung! Wie oft sagen wir das in einer Art und Weise, die eher wie ein Angriff klingt als nach aufrichtigem Bedauern. Eigentlich ist es ja auch ein Befehl, wenn man sich das Wort genau anschaut: "Ent-Schuldige mich!" Ich habe also etwas Unrechtes getan und fordere mein Gegenüber unwirsch auf, mich von dieser Schuld freizusprechen. Das kommt genau so an, wie ein schnell hingehautes "Sorry" ... vielleicht noch gefolgt von einem "aber". Tatsächlich wäre wohl eher ein "Es tut mir leid" angebracht. Man könnte noch weitergehen und für eine wirkliche Entschuldigung voraussetzen, dass "Schuld" eingesehen wird und dann auch ein Bemühen ist, ebendas nicht mehr zu tun. Wie anders würde das klingen? Im Spanischen gibt es - neben "perdon" und "disculpe" im täglichen Sprachgebrauch "lo siento" wie das amerikanische "I feel you". Wie anders klingt das?!
Ich finde nicht, dass wir jedes Wort auf die Goldwaage legen sollten - weder bei uns selbst, noch bei anderen. Zum gesprochenen Wort kommt ja auch der Kontext, die Körpersprache und dann macht auch noch der Ton die Musik. Ich rede oft genug und auch sehr gern einfach so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Und doch können (nicht müssen!) wir unseren Schnabel auch ein bißchen umtrainieren. Da, wo es uns wichtig erscheint.
In fremden Sprachen ist es zunächst schwer, mehr als nur das Notwendigste zu transportieren, in unserer Muttersprache sollten wir das im Lauf der Jahre gelernt haben. Wir können Worte bewußt einsetzen, um unsere Gefühle und Gedanken auszudrücken und um unsere Mitmenschen nicht versehenlich zu verletzen. Mehr noch: Anders als im österreichischen "Net g´schimpft is gnua g´lobt" haben wir mit Worten auch die Möglichkeit, unseren Mitmenschen eine Freude zu machen. Ohne Kosten und mit nur einem kleinen bißchen Achtsamkeit.
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